Visuelle Darstellungen von Geflüchteten in den deutschen Medien 2010-2020
von Cassidy Chreene Whittle, M.S. Globale Medien und Kulturen – Deutsch
unter Beratung von: Dr. Britta Kallin, assoziierte Professorin für Deutsch, und
Dr. Richard Utz, Fachbereichsleiter und Professor, Literatur, Medien und Kommunikation
Ausgesetzt: Die griechische Küstenwache lässt Geflüchtete in der Ägäis zurück
Der Spiegel / 16. Juni 2020 / Foto von Maximilian Kohler
Dieses manipulierte Foto wurde am 16. Juni 2020 mit dem Spiegel-Artikel "Griechenland setzt offenbar Flüchtlinge auf dem Meer aus" veröffentlicht und ist eine etwas andere Ästhetik als der typische Stil des Fotojournalismus, der in der Nachrichtenberichterstattung oder bei kreativen Fotoprojekten von Nachrichtenorganisationen zur Schau gestellt wird. Er trägt die Überschrift "Verlassen: Die griechische Küstenwache lässt Flüchtlinge in der Ägäis zurück" und wird Maximilian Kohler, einem Medieninformatik-Studenten aus Deutschland, zugeschrieben.
Der Artikel beschreibt den Angriff der griechischen Küstenwache auf ein Flüchtlingsboot aus der Perspektive eines der an Bord befindlichen Geflüchteten, Amjad Naim. Das manipulierte Foto, das ein Originalbild aufgenommen hat, das wir aufgrund völlig fehlender Erkennungsmerkmale nicht als eines vom eigentlichen Ereignis verifizieren können, karikierte die Personen, sowohl die Flüchtlinge in den Booten als auch die am Bug des Schiffes stehende Küstenwache. Diese Karikatur untergräbt die Schwere der Anklage gegen die griechische Küstenwache und die Ernsthaftigkeit von Naims Geschichte, die in dem Artikel dargestellt wird. Darüber hinaus ist der hinter dem Boot angebrachte gelbe Fleck sowohl ablenkend als auch in gewisser Weise beleidigend für die Geflüchteten, da er als Symbol für die strahlende Zukunft gedeutet werden könnte, die sie aufgrund der gewalttätigen Aktionen der griechischen Küstenwache nicht erlangen konnten.
Obwohl sie vielleicht gut gemeint sind, um das sonst so müde gewordene Bild der Geflüchteten auf einem Boot auf See wiederzubeleben, untergraben sie durch Kohlers Manipulation dieses Fotos und durch die Entscheidung des Spiegel, es mit dem Artikel zu veröffentlichen, den ansonsten exzellenten Journalismus des Artikels, indem sie aus erster Hand über Naims Bericht über die Ereignisse berichten.