Visuelle Darstellungen von Geflüchteten in den deutschen Medien 2010-2020
von Cassidy Chreene Whittle, M.S. Globale Medien und Kulturen – Deutsch
unter Beratung von: Dr. Britta Kallin, assoziierte Professorin für Deutsch, und
Dr. Richard Utz, Fachbereichsleiter und Professor, Literatur, Medien und Kommunikation
Eine Frau aus Syrien in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in München
taz.de / 14. Dezember 2014 / Foto von dpa
Dieses Foto begleitete einen Artikel, der am 19. Dezember 2014 in taz.de mit der Überschrift "Die Not wird endlich anerkannt" veröffentlicht wurde. Die Bildunterschrift beschreibt ihn als "Eine Frau aus Syrien in der Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in München" und gibt die dpa als Urheber an. Die Geflüchtete trägt einen rosafarbenen Hijab, der wahrscheinlich auf ihren muslimischen Glauben hinweist, und ist beim Betrachten eines Wandbildes von der Kamera abgewandt, wodurch ihr Gesicht und ihre Identität verdeckt werden. Der Hintergrund des Wandgemäldes ist mit Blöcken in Rosa-, Orange- und Gelbtönen bedeckt, auf denen Schriftzüge in verschiedenen Sprachen und Symbole über die verschiedenen Quadrate gemalt sind. Im Vordergrund des Wandbildes sind drei in Schwarz und Grau gemalte Figuren zu sehen, eine Mutter mit ihrem Sohn und ihrer Tochter.
Das Gesicht der Mutter wird im Rahmen nicht gezeigt, aber die Kinder tragen traurige Mienen. Die Abschirmung des Gesichtes durch Aufnahmen von hinten, wie es der Fotograf in diesem Fall tat, oder durch andere Mittel, wie z.B. durch Handverkleidungen oder Silhouetten, kann ein nützliches Hilfsmittel für Fotografen in Situationen sein, in denen das Subjekt aus persönlichen Gründen oder anderen Sicherheitsbedenken anonym bleiben möchte, wie es leider bei vielen Geflüchteten der Fall ist. Wenn jedoch ein solches Foto, bei dem die ursprüngliche Absicht des Fotografen war, sein Subjekt ethisch zu schützen, indem es sein Gesicht verdeckt, von einer syndizierten Organisation wie der dpa verwendet wird, wird dasselbe Foto lediglich zu einer Propagierung derselben Namenlosigkeit und des Identitätsverlusts, der durch große Gruppenfotos verursacht wird.
Obwohl der Artikel eine positive Veränderung in der deutschen Flüchtlingspolitik beschreibt, spricht er das Thema auf breiter politischer Ebene an und beschreibt die wirtschaftliche Situation Deutschlands, das bereits Ende 2014 beginnt, große Mengen von Geflüchteten aufzunehmen. Die auf dem Foto abgebildete Syrerin, die als Begleiterin für den Artikel verwendet wird, erhält weder einen Namen, noch ein Pseudonym, um sie mit der Leserschaft von taz.de in Verbindung zu bringen, noch eine Plattform zum Austausch ihrer persönlichen Erfahrungen. Vielmehr wird sie als Platzhalterin ausgenutzt, eine Forderung der Industrie, die für Nachrichtenartikel ein begleitendes Foto verlangt, selbst wenn es nur minimal auf den Artikel selbst zutrifft - ein Thema, das bereits 2014 vorliegt und das durch den algorithmischen Druck von Social-Media-Anreizposten einschließlich Fotos in der letzten Hälfte des Jahrzehnts nur noch weiter gewachsen ist.