Visuelle Darstellungen von Geflüchteten in den deutschen Medien 2010-2020
von Cassidy Chreene Whittle, M.S. Globale Medien und Kulturen – Deutsch
unter Beratung von: Dr. Britta Kallin, assoziierte Professorin für Deutsch, und
Dr. Richard Utz, Fachbereichsleiter und Professor, Literatur, Medien und Kommunikation
Abgeschobener Sayed in Kabul
Der Spiegel / 18. August 2017 / Foto von Johanna-Maria Fritz vom Spiegel
Der Spiegel-Artikel "Die völlig verrückte Asyl-Lotterie" beleuchtet eine andere Seite des Lebens von Geflüchteten und erzählt die Geschichten zweier Afghani-Männer, die aus Deutschland abgeschoben wurden. In der Zwischenüberschrift des Artikels wird das Leben der beiden Männer in Deutschland erläutert: "Einer stand kurz vor der Heirat, der andere war im Gefängnis" und erklärt, wie diese beiden Geschichten das Chaos der deutschen Abschiebepolitik aufzeigen. Die Bildunterschrift des Begleitfotos des Artikels lautet: "Abgeschobener Sayed in Kabul".
In dem Artikel wird Sayed als aufrechter Geflüchteter porträtiert, der eine deutsch-afghanische Frau heiraten wollte, bis er eines Morgens plötzlich abgeschoben wurde. Seit seiner Rückkehr in sein Heimatland lebt er in einem schäbigen Hotel außerhalb der Hauptstadt Kabul, wo er fotografiert wird. Andere Fotos der Serie zeigen ihn auch in seinem Hotelzimmer, das aus einer kleinen Matratze auf dem Zimmerboden und einem kleinen Fernseher besteht, sowie auf einem Markt im Freien.
Im Gegensatz dazu hatte die andere Hauptperson des Artikels, Mohammad Sarvari, ebenfalls ein Afghane mit einer deutschen Migrationsgeschichte, einen kriminellen Hintergrund, einschließlich sexueller Übergriffe, Diebstahl und Betrug, und war zum Zeitpunkt seiner Abschiebung inhaftiert. Er wird auch in der Serie fotografiert, die in seiner befristeteten Unterkunft bei einem Freund der Familie gezeigt wird.
Der starke Kontrast, den diese beiden Einzelfälle der Abschiebung zeigen, bestärkt den Journalisten in seiner Argumentation für die "verrückte Asyl-Lotterie". Sie stützt ihre Behauptung zudem durch Statistiken, wonach aufgrund der Schwierigkeiten, politische Verfolgung nachzuweisen, nur 0,1 bis 0,2 Prozent der afghanischen Flüchtlinge als asylberechtigt anerkannt werden. Es wird jedoch auch angemerkt, immerhin "49 Prozent erhalten Schutz, zum Beispiel als Flüchtling oder weil sie aus von Extremisten beherrschten Provinzen stammen."
Das letzte Bild der Fotoserie ist nicht das eines Geflüchteten, sondern das Porträt der Fotografin, die diese Bilder aufgenommen hat. Die Bildunterschrift beschreibt ihre Ausbildung in der Fotografie und ihre Arbeit in muslimischen Ländern, darunter Iran, Palästina und Afghanistan, im vergangenen Jahr.
Durch die Präsentation dieser persönlichen Erzählungen und der sorgfältig kuratierten Bilderserien der Fotografin aus "der unbekannten Heimat" gelingt es dem Spiegel, ein größeres Thema in eine verdaubare und nachvollziehbare Geschichte zu zerlegen und so vielleicht einigen Lesern und Zuschauern ein besseres Verständnis dafür zu vermitteln, was Abschiebung wirklich mit einem Menschen macht.