Visuelle Darstellungen von Geflüchteten in den deutschen Medien 2010-2020
von Cassidy Chreene Whittle, M.S. Globale Medien und Kulturen – Deutsch
unter Beratung von: Dr. Britta Kallin, assoziierte Professorin für Deutsch, und
Dr. Richard Utz, Fachbereichsleiter und Professor, Literatur, Medien und Kommunikation
Flüchtlinge nach ihrer Rettung aus dem Mittelmeer
Frankfurter Allgemeine Zeitung / 24. Januar 2016 / Foto von dpa
Mit der ähnlich vagen Beschreibung "Flüchtlinge nach ihrer Rettung aus dem Mittelmeer", wie sie bisher auf vielen Fotos zu sehen war, wurde dieses Foto erneut mit dem Gastkommentar "Wer ist Flüchtling?" versehen. Der Kommentar stammt von Byung-Chul Han, einem südkoreanisch-deutschen Philosophen und Kulturtheoretiker, der im Alter von 22 Jahren als Flüchtling nach Deutschland kam und wurde von der Frankfurter Allgemeine Zeitung veröffentlicht.
Der Artikel im Essay-Stil beginnt mit einer Einleitung, die denselben Hannah-Arendt-Aufsatz "Wir Flüchtlinge" zitiert, der auch in dem im Spiegel beleuchteten kreativen Projekt verwendet wurde, und geht dann auf Hans persönliche Erfahrungen als Geflüchtete und die Gefühle von Einsamkeit und Unsicherheit, die man in einem fremden Land empfindet, ein. Er geht auf die Fragen nach Identität und Heimat ein, mit denen er sich als junger Flüchtling auseinandersetzen musste. Obwohl der aktuelle Stand der Ereignisse zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Artikels in deutscher Sprache nicht direkt erwähnt wird, könnte der Zeitpunkt der Veröffentlichung im Januar 2017 auf einen Wunsch nach Verständnis für die möglichen sozialen Dilemma der neu angekommenen Flüchtlinge hindeuten. Ein weiterer Beleg für diese Theorie ist die als Titelbild des Artikels verwendete Bildauswahl. Anstatt ein Kopffoto von Han oder ein Foto zu verwenden, das er vielleicht aus seinen frühen Jahren in Deutschland hatte, trafen die Redakteure der Frankfurter Allgemeinen Zeitung die ausdrückliche Entscheidung, ein von der dpa zur Verfügung gestelltes Foto auszuwählen, das eine Gruppe junger, dunkelhäutiger Geflüchteter nach ihrer Rettung aus dem Mittelmeer zeigt.
Aufgrund des Blickwinkels, den das Foto aus unmittelbarer Nähe über die Geflüchteten einnimmt, sind nur die Oberseiten der Köpfe der Personen und Teile ihrer Gesichter zu sehen, aber nicht genug, um mit Sicherheit ihr Geschlecht oder ihr ungefähres Alter zu bestimmen. Sie scheinen alle die gleiche blaue, einfache Kleidung zu tragen, die wahrscheinlich vom Rettungskomitee zur Verfügung gestellt wurde, nachdem sie aus dem Wasser gezogen wurden. Auf den Händen der mittleren und der Person rechts sind auf der linken Hand mit schwarzem Marker geschriebene Identifikationsnummern zu erkennen. Trotz der Tatsache, dass es die Absicht des Journalisten gewesen sein könnte, Hans philosophischen Essay mit zeitgenössischen Flüchtlingsfragen in Verbindung zu bringen, erscheint es ausbeuterisch, dieses Foto als Hauptfoto des Artikels zu verwenden, um mit ihrem Bild und ihrer Ähnlichkeit die intellektuelle Arbeit eines bereits bekannten Akademikers zu fördern.